Wiener Tafelkultur und Tischsitten im Dreivierteltakt

Wiener Tafelkultur und Tischsitten im Dreivierteltakt

Für all diejenigen die meinen Vortrag im Wirtschaftsmuseum nicht ad personam mitverfolgen konnten, hier ein paar Eindrücke meiner gezeigten Präsentation. Allen voran danke ich meiner langjährigen Mentorin Dr. Ingrid Haslinger, die mir stets ihre wissenschaftlichen Forschungen im Bereich der höfischen wie bürgerlichen bis bäuerlichen Tafelkultur für meine eigene Arbeit offen gelegt hat und mir mit ihrem Wissen und ihrer Sammlerenergie wertvolle Unterstützung geschenkt hat. Die Aufarbeitung aller Einflüsse der Wiener Küche ist nicht nur in dem bei Mandelbaum 2018 erschienen Band über die „Wiener Küche“ aufgearbeitet worden, sondern wird anschaulich in einer Grafik in der Ausstellung im Wirtschaftsmuseum thematisiert.

Foto: Einflüsse der Kronländer in der Wiener Küche. Quelle: Grafik des Wirtschaftsmuseums, Wien 2018

Geben wir den Begriff „Wiener Küche“ ins Internet ein, so würden wir uns wundern, dass die Pizza neben dem beliebten Wiener Schnitzel als Bild aufpoppt. Doch wie stets es wirklich um unser geliebtes Paniertes? Dieser Frage gehe ich eingangs nach und zeige von den Teller überdeckenden Schnitzelfriedhof bis zur Kerze mit Schnitzelduft das weite Spektrum dieses Tourismusschlagers. Spätestens die 2015/2016 in Form von EU-Ländern gestalteten Schnitzel-Broschen von dem Deutschen Gisbert Stach (geb. 1963), die 2017 den Danner Preis erhielten, lassen das Publikum laut schmunzeln.

Wohlgemerkt ist hier die Panier aus geriebenem Bernstein und nicht aus Semmelbröseln. Letztendlich verwundert es mich, dass wir weder ein eigenes Besteck noch eine spezifische Tellerform für das Wiener Schnitzel entworfen haben.

Anders bei dem Wiener Würstel, welchem sich das zeitgenössische Designerduo Kim+Heep anlässlich einer im Museum für angewandte Kunst stattgefundenen Ausstellung „The Shape of the Café to Come“gewidmet haben. Gregor Eichinger zeigte als Kurator seine Vielfältigkeit als auch Affinität zum Thema Kaffeehaus. Heute wird das Würstel beim Würstelstand meist auf rechteckigen Papptellern serviert. Als Gag in Museumsshops wird Pappe zu Porzellan. Nach wie vor ist es salonfähig das Würstel mit der Hand zu essen.

Foto: aus Ingrid Haslinger, Wiener Küche, Piowati: Josef Peschka, um 1930 (heute Privatarchiv Thomas Pechka)

Als Erfinder des Wiener Würstels gilt der Frankfurter Johann Georg Lahner. 1805 lieferte er erstmals eine Wurst aus, die alle Vorzüge einer Schweins- und einer Rindswurst in einer Schafsaitlinghülle vereinigte und nannte sie kurzerhand Wiener Frankfurter. Eine seltene Ansicht des Geschäftslokales vom Nachfolger Leopold Lahner aus den 20er Jahren wird hier dem Publikum illustriert.  Es befand sich an der Ecke von Neustiftgasse und Kaiserstrasse im 7. Bezirk. Ein Kupferstich aus der Serie der Wiener Kaufrufe zeigt einen italienischen Salamiverkäufer von Johann Christian Brandt (1722 – 1795). Dieser soll neben Hendlbratern den Handel auf der Strasse mit Wurstwaren in Wien um 1760 dokumentieren.  Der seltene Wiener Würstelwagen aus den 1950er Jahren gilt als Vorläufer unserer heutigen Würstelstände, die so mach einem schon das mitternächtliche Leben geretten haben mögen. Das prall gefüllte Geschäft der Piowati Wurst- und Selchwaren befand sich am Franz Josephskai 19, leider musste die Familie das Land 1938 verlassen.

Spezifische Geräte zum Verspeis von Würsteln haben sich daher nicht wirklich etabliert. Die Firma Radatz entwickelte unlängst einen speziellen „Original Radatz Käsekrainer Stupfer“ für die beliebte „Eitrige“ mit besonderer Kruste. Diese kleinen Spieße erinnern mich allerdings an die bereits 1910 von Josef Hoffmann (Pirnitz 1870 – 1956) für die Wiener Werkstätte entworfenen Maiskolbenhalter, welche heute als Cornholder eine Neuauflage für die Neue Galerie in New York erfahren haben. Das Pärchen in Silber wird mit 350 US Dollar berechnet (Foto: Neue Galerie , NY). In den 50er Jahren hätte der Kuckeruzhalter von Carl Auböck (Wien 1924 – 1993 ebenda) sicherlich auch zum Aufstechen der Hülle von Kaisekrainern dienen können (Foto: Dorotheum Wien, 2018).

Weitere aufgegriffene Themen meines Vortrages waren: Gulasch/Gulaschkessel/Ei Welsche /italienische Art/Eierbecher/ Ei im Glas/Sirk Ecke/Sirk Reisebesteck/Silberbesteck/Jarosinski & Vaugoin/Suppenbrunzer/Suppenserviertassen/Maggi das Wundermittel/Rheinweinglas/Römer/Alphaglas/Fluchtachterl/Zuckerdosen/Sacher/Löffelbecher/Limonadenlöffelständer

Ein herzlicher Dank gebührt den zahlreichen Gästen, denn der größte Lohn für einen Vortragenden sind: interessierte Zuhörer.

 

Quelle: Wirtschafts- und Gesellschaftsmuseum, Vogelsanggasse 36, 1050 Wien