Die “Frühstückstube” von Otto Prutscher für Gottfried Zykan am Kohlmarkt 5 in 1010 Wien
Unser Beitragsfoto zeigt eine Deckeldose für den Feinkosthändler Gottfried Zykan der Porzellanmanufaktur Augarten. Unlängst gelang es mir wieder einer dieser kleinen Porzellandosen zu erwerben. Der Dekor ist auffällig aus dem Art Deco und Dank der Bezeichnung des Deckels findet man schnell nähere Angaben. Diese kleine Deckeldose mit blauem Umdruckdekor kann dem Wiener Architekten Otto Prutscher zugeordnet werden (siehe Duit 2019, Band 2, Seite 257). Es dürfte sich um ein Werbemittel der bereits 1905 eröffneten “Frühstückstube” von Gottfried Zykan am Kohlmarkt 5 in Wien handeln. Die Besonderheit des Geschäftes lag nicht nur am Sortiment selbst sondern an der Möglichkeit die Spirituosen, Pasteten und die berühmte Gänseleber auch direkt im Geschäft zu verkosten. Im Wiener Adressbuch Lehmann von 1924 ist Zykans Firma zur “Verabreichung von kalten Speisen, Gemischtwaren, Verschleiss und Gastgewerbe” protokolliert. Der Dekor der Dose für Kaviar steht in Übereinstimmung mit der Ausstattung des heute verloren gegangenen Interieurs und Geschäftes, dessen Abbildungen wir in der Zeitschrift “Moderne Baumformen”, Wien 1925, Seite 416, Tafel 94 finden. Otto Prutscher wurde von Gottfried Zykan in den 20er-Jahren beauftragt, das Geschäft am Kohlmarkt zu modernisieren.
Foto: “Frühstückstube” am Kohlmarkt in Wien aus: Zeitschrift “Moderne Baumformen”, Wien 1925, Seite 416, Tafel 94
Eine weitere Fotografie des Verkaufsraums des Feinkostladens Gottfried Zykan befindet sich in der Bibliothek und Kunstblättersammlung des MAK Wien. Es stammt aus dem Nachlass von Otto Prutscher (siehe KI 14274-589, 1980 übernommen). Auf der Rückseite ist die Ausführung der “Feinkosthalle” erwähnt: “weiß lackiert, weißer Marmor”. Die finanzielle Situation von Gottfried Zykan erlaubte ihm als einer der Ersten die Anschaffung eines eigenen Automobiles, einer herrschaftlichen Villa in Ober St. Veit sowie zahlreiche Auslandsreisen. Die Wirtschaftskrise als auch der große Börsenkrach 1929 machte auch vor ihm nicht halt. So verlor Zykan sein wohl situiertes Klientel. Es wird vermutet, dass Zykan aufgrund der Geschäftseinbrüche im Jahre 1934 Selbstmord begeht. Sein Sohn Fritz leitete die Geschicke des Geschäftes bis 1936, anschliessend ist sein Know-how bei den Feinkosthändlern Wild und Böhle gefragt. Er lässt sich 1924 von Otto Prutscher seine Wohnung in der Mariahilferstrasse 181 einrichten. An der Stelle der “Frühstücksstube” wurde in den 50er Jahren vom Architekten Oswald Haerdtl (1899 – 1959) das erste Wiener Designer Café, das Arabia Espresso eingerichtet. Also ein hoch frequentierter Ort der Kulinarik in Wien. Ich danke Dr. Ulrike Scholda und Dr. Waltraud Neuwirth für diese Hinweise.