Das Porzellanhaus Wahliss

Das Porzellanhaus Wahliss

Das 1863 gegründete Porzellanhaus Wahliss steht oft im Schatten der traditionsreichen bereits 1719 gegründeten Kaiserlichen Wiener Porzellanmanufaktur. Zu unrecht, denn einerseits konnte die Firma Wahliss um 1902 die Formen der 1864 aufgelassenen Wiener Manufaktur übernehmen und garantierte so dem Kunden einen Fortbestand, eine „Nachkaufgarantie“ der alten Geschirrformen und tradierten Dekore. Als Handelsreisender war der Deutsche Ernst Wahliss ( 1836-1900) für die böhmische Manufaktur Fischer & Mieg unterwegs. Er kannte die böhmischen Lieferanten gut. Der Erfolg seiner Importe nach Wien ermöglichte die Eröffnung eines fünfstöckigen Hauses im Jahre 1879 nach Plänen von Gustav Korompay auf der renommierten Kärntner Strasse Nummer 17.

Foto: Porzellanhaus Wahliss, Ansicht um 1906, unbekannter Fotograf Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts – Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung (2. Band), herausgegeben vom Österreichischen Architekten-Verein, Verlag von Gerlach & Wiedling, Wien, 1906.

Foto: ehemaliges Porzellanhaus Wahliss, Ansicht von 2019 (Foto: Annette Ahrens, 2019)

Foto: Rückseite einer Porzellanhaus Wahliss-Rechnung von 1925, (Foto: Annette Ahrens, Geschenk von Andy Hiermann 2024)

Selbst die Fassade nimmt auf das fragile Handelsgut Bezug: Blau-weisse Porzellanfliesen, die bei Carl Knoll in Karlsbad erzeugt wurden, dienten als Fassadendekor. Von der prächtigen Innenraumausstattung und dem Mobiliar hat sich heute leider nichts erhalten. Die nachfolgenden Geschäfte haben dies zu ihrem Nutzen umgebaut. Nur die zweigeschossige Galerie lässt den Ursprung noch erkennen. Die in Familienbesitz Wahliss erhaltenen Fotos zeigen die Situation der „Wahliss Kolonnade“ und des überdachten Innenhofes. Beide Ansichten sind um 1910 zu datieren und seltene Dokumente von heute nicht mehr erhaltenen Warenhäusern in Wien.

Foto: Kolonnade des Porzellanhaus Wahliss, Ansicht um 1910, Familienbesitz Wahliss (Quelle: Lehne 1990)

Foto: Überdachter Innenhof des Porzellanhaus Wahliss, Ansicht um 1910, Familienbesitz Wahliss (Quelle: Lehne 1990)

Foto: Alt Wiener Porzellanballett gestiftet vom Porzellanhaus Ernst Wahliss, Anzeige um 1910

Foto: Todesanzeige von Ernst Wahliss aus dem Neuen Wiener Tagblatt (vom 20. Juli 1900)

Auch im Neuen Wiener Tagblatt erscheint eine Todesanzeige des prominenten Porzellanindustriellen. Als Hinterbliebene werden Josefine Wahliss als Schwiegertochter, Anna Wahliss als Gattin und Oberingenieur Krieger, Major Daler und Oberleutnant Calfati als Schwiegersöhne genannt. 8 Kinder und 8 Enkeln finden weiters Erwähnung. Das Vermögen wird im Testament auf 20 Millionen Kronen geschätzt, welches zur Gänze seiner Gattin Anna zufällt. (Neues Wiener Amtsblatt vom 19. Juli 1900, S. 3)

Nachruf auf Ernst Wahliss aus der Neuen Freien Presse vom 19. Juli 1900

„Heute Nachmittag um fünf Uhr ist hier der Porzellanwaren-Fabrikant, Commerzialrat Ernst Wahliß nach kurzem Leiden im 64. Lebensjahr gestorben. Der Verstorbene hat sich in verhältnismäßig kurzer Zeit von den bescheidensten Anfängen zu einem der hervorragendsten Vertreter seiner Branche emporgeschwungen. Ernst Wahliß war in seinen jungen Jahren Reisender für eine Porzellanwaren-Fabrik. Zu Beginn der Sechzigerjahre machte er sich selbstständig und errichtete ein Warengeschäft im Heinrichshof. Durch seine rastlose Tätigkeit, seine Energie und Fachkenntnis sowie durch eine geschickte Ausnutzung der geschäftlichen Conjunkturen gelang es ihm, seinem Geschäft Weltruhm zu verschaffen.

Schon im Jahr 1883 errichtete er ein En-Gros-Geschäft in London und gründete daselbst im Jahr 1888 das bekannte Wahliß’sche Porzellanwarenhaus, das wohl zu den schönsten Warenhäusern der englischen Hauptstadt gezählt werden darf. Im Jahr 1894 brachte Wahliß die Stellmacher’sche Porzellanfabrik in Turn bei Teplitz käuflich an sich und verhalf auch diesem Etablissement in wenigen Jahren zu einem außerordentlichen Aufschwung.

Eine Spezialität des Wahliß’schen Etablissements bilden die Luxus-Artikel aus Porzellan, die reich und kunstvoll ausgeführten Speiseservice und vor allem die mit vollendeter Kunst ausgeführten Arbeiten nach Alt-Wiener Art. Letztere sind wohl bisher nicht übertroffen worden. Wahliß hat ausschließlich durch hervorragende Künstler seine Modelle entwerfen und sie dann unter seiner persönlichen Aufsicht durch die besten Kräfte ausführen lassen.

Das Etablissement Wahliß war seit Jahrzehnten auf allen großen Ausstellungen vertreten und wurde jedesmal mit den höchsten Auszeichnungen bedacht. Bemerkenswert ist, dass Wahliß gleich anderen hervorragenden Wiener Industriellen nicht zu bewegen war, die heurige Pariser Weltausstellung zu besuchen.
Der Kaiser hat zweimal das Warenhaus in der Kärntner Straße besucht, einmal anlässlich der Eröffnung desselben und dann vor Absendung  der für die Ausstellung in Chicago bestimmten Waren.

Ernst Wahliß hat sich auch auf einem anderen Gebiet ein bleibendes Andenken gesichert, indem er Pörtschach am Wörthersee, früher ein unscheinbares Dörfchen, zu einem der fashionabelsten Badeorte Österreichs umgestaltet hat.

Er erwarb daselbst im Jahr 1883 einen großen Grundkomplex, auf dem er nach und nach das heute einzig in seiner Art bestehende Etablissement errichtete. Dasselbe besteht aus 14 Villen, von welchen die größte 60 Wohnzimmer hat. Vor einigen Jahren errichtete er auch in Velden, hier allerdings in bescheideneren Grenzen, ein ähnliches Etablissement.“

Foto: 50 Jahre Geschichte Porzellanhaus Ernst Wahliss aus der Neuen Freien Presse vom 7. November 1913, ÖNB Wien.

Im Jahre 1879 wurden die Geschäftsräumlichkeiten auf der Kärntnerstrasse 17 eröffnet. Die Filiale des Detail- und Engrosgeschäftes in London, in der Oxford Street 88 feierte seine Eröffnung 10 Jahre später, im Jahre 1889. Eine erhaltene Abbildung zeigt ein mehrgeschossiges Geschäftsgebäude mit großen Auslagen, wo die Porzellane gut präsentiert werden können. Der Eingang lag an der Ecke.

Foto: Rückseite einer Porzellanhaus Wahliss-Rechnung von 1925, (Foto: Annette Ahrens, Geschenk von Andy Hiermann 2024)

Ein Werbeprospekt des Porzellan-Warenhauses Wahliss zeigt beide Filialen und macht auf den Besitz der Porzellanfabrik Turn-Teplitz aufmerksam. Diese wurde im Jahr 1894 von Stellmacher abgekauft und ermöglichte Wahliss eine unabhängige Produktion von Luxusporzellanen für sein anspruchsvolles Klientel in Wien und London. Ausserdem wirbt er mit dem einzigen Lager der Königl. Sächsischen Porzellan-Fabrik. Meissen (Sachsen), in den öst. ung. Staaten. Eine mir bekannte Rechnung des Porzellanhaus Ernst Wahliss ist an Gräfin Czernin in der Landesgerichtstraße 9, Wien adressiert und vom 19. Mai 1886 datiert. Interessant ist, dass hier bereits eine Verkaufsadresse in Paris angeführt wird.

Foto: Porzellanhaus Wahliss, Ansicht wohl um 1950 (Fotoquelle: Nachlass von Philipp Häusler, Wienbibliothek)

Foto: Porzellanhaus Wahliss, Ansicht 1977 , (Fotoquelle: Privatbesitz S. E. , Wien)

10 Jahre später wurden laut Aussage der Besitzerin die vielen Verkaufsinseln zu Gunsten von verglasten Vitrinen aufgelöst. Einerseits konnte die heikle Ware besser präsentiert werden, andererseits beklagten sich angeblich die Mitarbeiter über den erhöhten Putzaufwand der staubempfindlichen Glasoberflächen.

Foto: Porzellanhaus Wahliss, nach dem Umbau von Coop Himmelblau 1986 (Fotoquelle: Privatbesitz S. E. , Wien)

 

Foto: Musterteller der Manufaktur Pirkenhammer, Vertrieb Wahliss Wien, um 1885 (Quelle: Dorotheum Wien, 13.12.2017)

Über den Weg der Auktion wurden am 13. Dezember 2017 unter lot 318 wertvolle Musterteller aus dem Nachlass von der Firma Wahliss im Wiener Dorotheum versteigert. Ich freu mich, dass die aufwendig mit Goldrändern dekorierten Teller nun in die Sammlungen der Wiener Silberkammer Eingang gefunden haben. Die Musterteller geben Auskunft über die verschiedensten Auftraggeber und ihre Wappen. Deren Auflösung wird Teil der Forschung sein.  (von links nach rechts)

1) Erzherzogs-Krone im Spiegel des Tellers

2) Krone, türkische Krone mit türkischem Monogramm, goldenem Wappen mit 9-zackiger Krone und farbigem Wappen mit Jungfrau, sie hält Schwert und Blumen in den Händen, darüber 9-zackige Krone

3) Allianzwappen mit Krone und Hermelinumhang sowie 3 weiteren Wappen und 2 gekrönten Monogrammen

4) Monogramm ET mit 9- zackiger (=gräflicher) Krone

5) Krone an der Fahne des Tellers

6) Monogramm CFS mit Erzherzogs-Krone

Nr 7) Papstwappen

Nr 8) Krone mit Anker

Alle Teller stammen von der Porzellanmanufaktur Fischer & Mieg, Pirkenhammer, Böhmen, Preßmarke 1857-1876, und unterglasurblauer Marke ab 1890, Verleger Porzellanhaus Ernst Wahliss Wien, Dm 24-26 cm

Adolf Loos (Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 61) äußert sich in dem 1898 erschienen Artikel über Glas und Ton über die Musterteller:

„In der umfangreichen exposition der firma Wahliß bilden die musterteller zu den bisher gelieferten großen servicen wieder das entzücken aller. Hier hat diese firma eine höhe erklommen, die auf der welt einzig dasteht. Alle fürstenhäuser und die geburts- und geldaristokratie aus allen weltteilen lassen sich hier ihre porzellanservice anfertigen. Der teller des indischen rajah und der des amerikanischen krösus liegen nebeneinander. Wie ein symbol für den beginn der herrschaft einer kultur in der gesamtweIt muten mich diese teller an.“ (Die Schreibweise folgt dem Originaltext).

Foto: Teller aus einem Speiseservice von Kronprinzessin Stephanie, mit gespiegelten Monogramm „S“ und Erzherzogskrone, Dm. 24 cm, Manufaktur Pirkenhammer, Vertrieb Wahliss Wien, um 1885 (Quelle: Dorotheum Wien, 30.10.2017, weitere Teller aus dem Service wurden am 18.6.2018 versteigert)

Ich bedanke mich herzlich für die besonders hilfreiche Unterstützung der letzten Besitzerfamilie von Frau S. E..

Metallarbeiten für Ernst Wahliss

Foto: Obstgabel und Obstmeser mit vegetabilen Heften aus Porzellan, Fa. Wahliss um 1900 (Foto: C. A., Wien, Oktober 2020)

Ein mir kürzlich zugesandtes Besteck mit Porzellanheften in japanischen Kakiemonstil läßt uns in Erfahrung bringen, dass auch für die Firma Wahliss individualisierte, denn mongrammierte Besteckaufsätze gefertigt wurden. Die Klinge aus Messing trägt den Schriftzug: „ERNST WAHLISS WIEN“. Ähnlich den renommierten Besteckherstellern Wiens um 1900 wie der Firma J.C. Klinkosch, Moritz Hacker oder den Firmen Argentor oder Berndorf wurden diese Klingen in rostfreier Qualität angeboten. Ich danke dem Eigentümer, Herrn C.A. für diesen Wissenszuwachs.

Foto: Detail des Obstmessers mit Wahliss-Marke, Fa. Wahliss um 1900 (Foto: C. A., Wien, Oktober 2020)

Weiterführende Literatur:

Biografisches Lexikon Wurzbach 1885, Seite 139-140.

Neues Wiener Tagblatt, 19. Juli 1900, S. 5-6.

Neues Wiener Abendblatt, 19. Juli 1900, S. 3 (Testament)

Andreas Lehne, Wiener Warenhäuser, 1865 – 1914, Wien 1990, Seite 130.

Harald Distelberger, Ernst Wahliss, seine Familie und sein Porzellanunternehmen in: Carinthia I., Verlag des Geschichtsvereins für Kärnten, Klagenfurt 2015, S. 315 -338.