Nur nix versemmeln!

Nur nix versemmeln!

Ich wurde heuer nicht wenig überrascht als mir der Eigentümer der Porzellanmanufaktur Augarten, Dr. Erhard F. Grossnigg ein besonderes Päckchen unter meinen Weihnachtsbaum legte. Die Überraschung lag nicht in der Tatsache allein, denn persönlich bekannt, bin ich spätestens seit seiner Bestellung für ihn das Augarten Porzellanmuseum zu kuratieren. Dies eröffneten wir im Jahre 2011 und seither bin ich dem Museum besonders verbunden und bemühe mich bei den nunmehr dreimal jährlich stattfindenden Sonderausstellungen auch weiterhin wertvolle Leihgaben zu vermitteln.

 

Auf der Suche nach geeigneten Objekten für sein Museum hatte Dr. Grossnigg stets ein gutes Händchen und eine gute Beratung zur Seite und konnte bei einer Versteigerung dieses kleine Handsemmerl, es hat nämlich nur 7,5 cm Durchmesser, für sich sichern. Ein kleines unscheinbares Objekt, welches jedoch bei näherer Betrachtung besonderen Wind macht, denn es ist nicht zum Anbeißen sondern nur zum Anschauen und sich darüber wundern gemacht. Und das bereits im Jahre 1864, genau im Schließungsjahr der alten Manufaktur in der Porzellangasse wurde diese Semmel gemacht und bildet heute den Schlusspunkt unserer straff erzählten Geschichte des Wiener Porzellans im Obergeschoss des Museums.

Da die Kaisersemmel immer schon eines der Lieblingsobjekte von EFG, wie Dr. Grossnigg konzernintern mit Respekt genannt wird, ist, hatte das kleine Gebäck bald auch das Interesse der Marketingabteilung erobert. Zuerst wurde versucht den Deckel einer einfachen Dose als Semmel umzugestalten, weil Neuausformungen aus Porzellan mit einem erheblichen Aufwand für den Meister verbunden sind. Aber so richtig zufrieden gestellt, hatte die glänzende Oberfläche und die runde Form niemanden.

 

 

Umso größer war meine Überraschung, als ich heuer ein blaues Päckchen auspackte und diese geniale Umsetzung einer älteren Idee in meinen Händen hielt. Anlässlich des Jubiläums des Geburtstages von Kaiser Franz Joseph I. hatte sich Augarten ein besonderes Kaisergeschenk ausgedacht: Eine Semmel, naturalistisch, mit aufgespungener Kruste und mit abnehmbarem Deckel! Das ist nämlich ein wesentliches Detail, welches die nun angebotene Kaisersemmel dem Museumsstück voraus hat. Der tromp l´oeil Effekt verbunden mit einer Funktion, ein doppeltes Wundern also, für mich heuer ein Dreifaches, denn eine Kaisersemmel gehört nun mir! Danke EFG!

 

Ein kaiserliches Frühstueckssemmerl

 

Auszug aus dem Katalog des Porzellanmuseums Augarten, verfasst von Annette Ahrens, Wien 2011:

Kaisersemmel
Kaiserliche Manufaktur, Wien, 1864
Eingepresster Bindenschild, eingepresste Jahreszahl 864, Weißdrehernummer 19 (Christoph Schwarz 1827-1865 in den Verdienstlisten belegt);
Dm 7,5 cm, H 4 cm
Porzellanmuseum im Augarten

Besonders in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich im Sortiment von Porzellanmanufakturen solche trompe l´oeil (frz. „täusche das Auge“) Ausformungen finden, wohl um der Belustigung von Gästen zu dienen, die eine Porzellansemmel in der kunstvoll gefalteten Serviette fanden. Unter einer Wiener Kaisersemmel versteht man ein handgewirktes Weißgebäck von runder Form, welches sich durch eine lange Teigführung von mindestens 2 Stunden auszeichnet. Wurde ursprünglich der 5-teilige Stern durch aufwändiges Falten des Teiges erzeugt, so wird heute ein spezieller Stempel in den Teig gedrückt, welcher die Oberseite der Semmel knuspriger und rescher macht. Ihre Bezeichnung erlangte die Semmel nicht nur durch die persönliche Vorliebe von Kaisers Franz Joseph I., sondern durch die Tatsache, dass das begehrte Weißgebäck an Kaisers Geburtstag, dem 18. August in allen Städten und Gemeinden der Monarchie an die Bevölkerung verteilt wurde.

 

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