OTTO PRUTSCHER – Allgestalter der Wiener Moderne und seine Entwürfe für Augarten

OTTO PRUTSCHER – Allgestalter der Wiener Moderne und seine Entwürfe für Augarten

Dem Architekten Otto Prutscher (Wien 1880 – 1949 ebenda) soll dieses Jahr in einer umfassenden Ausstellung im MAK/ Museum für angewandte Kunst in Wien gedacht werden. In Vorbereitung hierfür sind auch seine Arbeiten für die Porzellanmanufaktur Augarten. Nach Neueröffnung der „Wiener Porzellanfabrik Augarten AG“ im Jahre 1923 wurden neben Wiederaufnahmen alter Geschirrteile der 1864 geschlossenen Staatlichen (Aerarial-) Porzellanmanufaktur auch neue Produkte auf den Markt gebracht. Für die Kreation dieser neuen Porzellane „mit der individuellen Note“ wurden namhafte Künstler wie zum Beispiel der Wiener Werkstätte an die Manufaktur geholt: Josef Hoffmann, Vally Wieselthier, Michael Powolny und eben auch Otto Prutscher. Der heute Unbekannteste aller genannten Künstler. Ich freu mich also besonders auf diese Personalie im MAK. Schade nur, dass seine langjährigen Sammler, das Ehepaar Schedlmayer aus Baden diese Sternstunde nicht mehr miterleben können.

OTTO PRUTSCHER – Allgestalter der Wiener Moderne  20.11.2019– 17.05.2020

Die Ausstellung des MAK soll Otto Prutscher (1880–1949) siebzig Jahre nach seinem Tod in seinen mannigfachen Rollen präsentieren, die er für die Entwicklung der Wiener Moderne spielte. Prutscher war entwerfender Architekt und Designer in allen Materialbereichen der angewandten Kunst, Ausstellungsgestalter, Lehrer und Mitglied aller wichtigen Reformkunstbewegungen, von der Secession bis zur Wiener Werkstätte und dem Werkbund.

Kurator: Dr. Rainald Franz, Kustode MAK-Sammlung Glas und Keramik 

Die 160seitige Publikation des MAK unternimmt die Revision von Prutschers Werk als Schrittmacher der Wiener Moderne – über zwanzig Jahre nach der letzten Ausstellung in Wien und siebzig Jahre nach seinem Tod. Der Katalog ist bereits ab Anfang September 2019 erhältlich. ( www.arnoldsche.com)

Foto: Otto Prutscher (rechts sitzend) mit Gustav Klimt und der Familie Paulick am Attersee, um 1914 Fotoquelle: Getty Images (Archiv der Familie Otto Prutscher, Milano)

Otto Prutscher und seine Entwürfe für die Porzellanmanufaktur Augarten

Die beiden Abbildungen zeigen zwei Seiten aus dem Verkaufskatalog der Firma Augarten von 1926. Unter dem Dekor 5179 ist sowohl ein Kaffee- als auch ein Teeservice abgelichtet. Eine erhaltene Teetasse aus meinem Besitz gibt uns Auskunft über die Farbigkeit dieses Blätterdekors: Eisenrot. Die hellrote, achteckige Dekormarke wird meist vor 1938 datiert und ist selbstverständlich nur auf dekorierten, das heisst bemalten Stücken angebracht. Der blaue Manufakturstempel ist unter der Glasur, das heisst vor dem Glasieren, eingestempelt worden.

Foto: Teetasse aus dem Service Form Nr. 05, Dekor Nr. 5179 (Otto Prutscher), Augarten vor 1938, rote Dekormarke, Annette Ahrens Privatbesitz.

Foto: Verkaufskatalog der Firma Augarten von 1926. Unter dem Dekor 5180 ist ein Teeservice abgelichtet. Ich kenne bisher nur blau-färbige Ausführungen dieses Blätterdekors in Privatbesitz.

Abbildung: Teekanne mit „blauem Blätter und Beerendekor“: Form Nr. 6 und Dekor 5180 von Otto Prutscher, Höhe 21,5 cm  Fotoquelle: Augarten Wien

Folgende Formen und Dekore lassen sich für Otto Prutscher  bei der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten nachweisen:

Form 5 (Kaffeeservice), Dekor Nr. 5179

Form 6 (Teeservice), Dekor Nr. 5180

Form 525 (Vase), Dekor 5216

Form 526 (Vase), Dekor 5217

Form 527 (Vase), Dekor Nr. 5218

Form 528 (Vase), Dekor Nr. 5219

Form 529 (Vase), Dekor Nr. 5220

Dekor 5286 (roter, einfacher Druckdekor)

Dekor 5327 (rote Streublumen/Stahldruck, roter Rand und schwarze Linie)

Form MT 1, Dekor 5475

Form F 5 (Kaffee), Dekor 5522

Form 17 (Mokkaservice), Dekor 5551 von Hilde Jesser

 

Abbildung: Vase, Form Nr. 526 und Dekor Nr. 5217 von Otto Prutscher, Höhe 21,5 cm, Fotoquelle: Augarten Wien.

 

Abbildung: Paar Vasen, Form Nr. 527, Dekor Nr. 5218 von Otto Prutscher, Fotoquelle: Historical Design, New York.

Abbildung: Vase, Form Nr. 529, Dekor Nr. 5220 von Otto Prutscher, Höhe 21,5 cm, Fotoquelle: Augarten Wien.

Abbildung: Mokkatasse aus dem Service Form Nr. 17 (Otto Prutscher), Dekor Nr. 5551 (Hilde Jesser), Augarten vor 1938, rote Dekormarke, Quelle: Annette Ahrens Privatbesitz.

Beim Mokkaservice  mit „gelbem Fond mit modernem Punktmuster“ von 1928, stammt nur die Form Nr. 17 von Otto Prutscher, der Dekor Nr. 5551 allerdings von Hilde Jesser (1894-1985). Die rote Dekormarke „Augarten Austria“ im Achteck wird meist vor 1938 datiert. In Schwarz ist die Form (17), der Dekor (5551) und der Maler (7) gekennzeichnet. Die Auslagengestaltung von 1925 zeigt dieses komplette Service in der obersten Regalreihe.

Abbildung: Detail der Auslagengestaltungen für die Wiener Werkstätte und die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten, 1925 (Quelle: Familienarchiv Otto Prutscher, Milano)

Abbildung: Mokkatasse aus dem Service Form Nr. 02 (Michael Powolny), Dekor 5327 (Streublumen) in Drucktechnik von Otto Prutscher, Augarten vor 1938, keine Dekormarke, Annette Ahrens Privatbesitz.

Das Service, welches ich auch in Rot und Blau kenne, habe ich bisher nur auf der von Michael Powolny gestalteten Form 2 gesehen. Meist sind die Dekore etwas verwaschen, da die Auf Glasur-Stahldrucktechnik dem vielen Waschen wohl nicht dauerhaft stand hält. Auffällig ist die dünne Wandung des Porzellans. Laut Aussage der Porzellanmanufaktur Augarten wird dieser Dekor heute nicht mehr hergestellt. So sind Sammler auf den Antikmarkt angewiesen um ihr Service in der entsprechenden Farbe zu komplettieren.

Abbildung: Deckeldose für den Feinkosthändler Gottfried Zykan, Porzellanmanufaktur Augarten, Wien um 1925, Annette Ahrens Privatbesitz

Diese kleine Deckeldose mit blauem Umdruckdekor kann auch dem Architekten Otto Prutscher zugeordnet werden. (siehe Duit 2019, Band 2, Seite 257).Es dürfte sich um ein Werbemittel der bereits 1905 eröffneten „Frühstückstube“ von Gottfried Zykan am Kohlenmarkt 5 in Wien handeln. Die Besonderheit des Geschäftes lag nicht nur am Sortiment selbst sondern an der Möglichkeit die Spirituosen, Pasteten und die berühmte Gänseleber auch direkt im Geschäft zu verkosten. Im Wiener Adressbuch Lehmann von 1924 ist Zykans Firma zur „Verabreichung von kalten Speisen, Gemischtwaren, Verschleiss und Gastgewerbe“ protokolliert. Der Dekor der Dose für Kaviar steht in Übereinstimmung mit der Ausstattung des heute verloren gegangenen Interieurs und Geschäftes, dessen Abbildungen wir in der Zeitschrift „Moderne Baumformen“, Wien 1925, Seite 416, Tafel 94 finden. Otto Prutscher wurde von Gottfried Zykan in den 20er-Jahren beauftragt, das Geschäft am Kohlenmarkt zu modernisieren.

Foto: „Frühstückstube“ am Kohlenmarkt in Wien aus: Zeitschrift „Moderne Baumformen“, Wien 1925, Seite 416, Tafel 94

Eine weitere Fotografie des Verkaufsraums des Feinkostladens Gottfried Zykan befindet sich in der Bibliothek und Kunstblättersammlung des MAK Wien. Es stammt aus dem Nachlass von Otto Prutscher (siehe KI 14274-589, 1980 übernommen). Auf der Rückseite ist die Ausführung der „Feinkosthalle“ erwähnt: „weiß lackiert, weißer Marmor“. Die finanzielle Situation von Gottfried Zykan erlaubte ihm als einer der Ersten die Anschaffung eines eigenen Automobiles, einer herrschaftlichen Villa in Ober St- Veit sowie zahlreiche Auslandsreisen. Die Wirtschaftskrise als auch der große Börsenkrach 1929 machte auch vor ihm nicht halt. So verlor Zykan sein wohl situiertes Klientel. Es wird vermutet, dass Zykan aufgrund der Geschäftseinbrüche im Jahre 1934 Selbstmord begeht. Sein Sohn Fritz leitete die Geschichte des Geschäftes bis 1936, anschliessend ist sein Know-how beiden Feinkosthändlern Wild und Böhle gefragt. Er lässt sich 1924 von Otto Prutscher seine Wohnung in der Mariahilferstrasse 181 einrichten. An der Stelle der „Frühstücksstube“ wurde in den 50er Jahren vom Architekten Oswald Haerdtl (1899 – 1959) das erste Wiener Designer Café, das Arabia Espresso eingerichtet. Also ein hoch frequentierter Ort der Kulinarik in Wien. Ich danke Dr. Ulrike Scholda und Dr. Waltraud Neuwirth für diese Hinweise.

Foto: Nachlass von Architekt Oswald Haerdtl, OHWV247, Arabia Espresso Kohlmarkt 5, 1010 Wien, 1950, © Architekturzentrum Wien, Sammlung

 

Foto: Oswald Haerdtl, Arabia Espresso, Blick auf das Vitrinenbuffet, 1010 Wien, Kohlmarkt 5, 1950 © Architekturzentrum Wien, Sammlung

Keramik für Keramos und Wienerberger

Rund 30 Entwürfe sind für die 1920 ins Handelsregister eingetragene Wiener Firma Keramos, „Wiener Kunstkeramik und Porzellanmanufaktur AG“ belegbar. Für die Firma Wienerberger sind neben Kachelöfen großformatige Vasen, allerdings aus Keramik belegt.

Otto Prutscher für böhmische Manufakturen

Für böhmische Porzellanmanufakturen wie die Firma Fischer & Mieg in Pirkenhammer bei Karlsbad ist das Service „Metropolis“ von Otto Prutscher nachweisbar. Es wird allerdings erst um 1934/35 datiert, also nahezu 10 Jahre später als die im Familienbesitz erhaltenen Entwurfszeichnungen für diese Firma. Die 1918 gegründete ÖPIAG, die österreichische Porzellanindustrie AG fungierte als Zusammenschluss böhmischer Porzellan-Manufakturen, bereits 1920 musste sie ihren Namen in EPIAG, Erste Porzellan-Industrie AG umbenennen. Für diese Manufakturen liegen Entwürfe im Besitz der Erben von Otto Prutscher am Comersee vor, jedoch wurden bisher laut Julia Blaha keine ausgeführten Stücke ausfindig gemacht. Allein 40 verschiedene Vasentypen können nachgewiesen werden. Die hier etwas gewagte Inszenierung stammt von einer Jugendstil-Auktion im Dorotheum in Wien. Dieser orange-rote Blätterdekor ist für Augarten Porzellane nicht bekannt. Von Pirkenhammer wurde das Service auch in Schwarz ausgeführt, ein anderer Dekor ist für die gleiche Form belegt.

Otto Prutscher und Ernst Wahliss

Foto: Mokkatasse mit Untertasse, Entwurf um 1910, Porzellanmanufaktur Ernst Wahliss, H 5 cm, Dorotheum Wien

Die Marke dieser Mokkatasse gibt Aufschluss darüber, wer sie in Wien verkauft hat. Das 1863 gegründete Porzellanhaus Wahliss steht oft im Schatten der traditionsreichen Kaiserlichen Wiener Porzellanmanufaktur. Zu unrecht, denn einerseits konnte die Firma Wahliss um 1902 die Formen der 1864 aufgelassenen Wiener Manufaktur übernehmen und garantierte so dem Kunden einen Fortbestand, eine „Nachkaufgarantie“ der alten Geschirrformen und tradierten Dekore. Als Handelsreisender war der Deutsche Ernst Wahliss ( 1836-1900) für die böhmische Manufaktur Fischer & Mieg unterwegs. Er kannte die böhmischen Lieferanten gut. Der Erfolg seiner Importe nach Wien ermöglichte die Eröffnung eines fünfstöckigen Hauses im Jahre 1879 nach Plänen von Gustav Korompay auf der renommierten Kärntner Strasse Nummer 17. Selbst die Fassade nimmt auf das fragile Handelsgut Bezug: Blau-weisse Porzellanfliesen, die bei Carl Knoll in Karlsbad erzeugt wurden, dienten als Fassadendekor. Von der prächtigen Innenraumausstattung hat sich heute leider nichts erhalten.

Foto: Innenansicht des Warenhauses Wahliss – Porzellanhaus, Kärntner Strasse 17, Wien 1, Zustand um 1910 Foto: Privatarchiv Wahliss

Die Form dieser kleinen Mokkatasse geht auf die klassizistische Tassenform „gleichweit“ mit eckigem Henkel unter Conrad Sörgel von Sorgenthal um 1800 zurück. Der Golddekor wurde vom Prof. Otto Prutscher entworfen, was die Unterseite stolz in schwarzer Schreibschrift handsigniert. Ein Schriftenvergleich zeigt, dass das sicherlich nicht die eigenhändige Handschrift von Otto Prutscher ist. Die unterglasurblaue Manufakturmarke hier mit fünfzackiger Krone ist eine Weiterentwicklung des blauen Bindenschilds, welcher unter Kaiserin Maria Theresia 1748 für die Wiener Manufaktur eingeführt wurde.

 Foto: Porträtfoto von Otto Prutscher mit eigenhändiger Widmung, Wien um 1910, Quelle: ÖNB, NB 522.615 – B

Falsche Zuschreibungen an Otto Prutscher

Die Augarten Form 541 (Kleiner Übertopf ) und der Dekor 5379 (Rot, Gold und Grüne Staffierung) sind nicht von Otto Prutscher, wie oft fälschlicher Weise angemerkt, sondern von Michael Powolny.

Weiterführende Literatur:

Annette Ahrens, Claudia Lehner-Jobst, Augartenmuseum Porzellan, Ein Rundgang durch das Porzellanmuseum, Wien 2011, S. 102 – 105.

Matthias Boeckl (Red.): Otto Prutscher. 1880–1949. Architektur, Interieur, Design. Der Katalog erscheint anläßlich der Retrospektive „Otto Prutscher 1880–1949“ im Ausstellungszentrum der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, Heiligenkreuzerhof, 23. Jänner bis 15. März 1997. Hochschule für Angewandte Kunst, Wien 1997, ISBN 3-85211-054-8.

Julia Eglin-Blaha: Otto Prutscher (1880–1949). Möbel und Kunsthandwerk. Dissertation. Universität Graz, Graz 2002.

Max Eisler, Otto Prutscher, Wien/Leipzig 1925.

Hermi Schedlmayer: Otto Prutscher – Raum für einen Kunstliebhaber. In: Agnes Husslein-Arco (Hrsg.), Alfred Weidinger (Hrsg.): Gustav Klimt und die Kunstschau 1908. Prestel, München 2008, ISBN 978-3-7913-4225-2, S. 348–351.

Hermi Schedlmayer / Fritz Schedlmayer, Otto Prutscher: Architekt und Designer zwischen Tradition und Moderne,  (Edition Angewandte), herausgegeben von Claas Duit, Birkhäuser Verlag GmbH, Basel 2019. Erhältlich im MAK Design Shop und unter makdesignshop.at um € 59,95.

Christoph Thun-Hohenstein/Rainald Franz (Hg.) Otto Prutscher, Allgestalter der Moderne, Stuttgart 2019, ISBN 9783897905696

Ich danke Herrn Christoph Simon, von der Porzellanmanufaktur Augarten für die hilfreiche Zusammenarbeit beim Entschlüsseln der Dekore für Augarten.

Es lohnt ein Blick in meinen Onlineshop, unter https://annette-ahrens.at/onlineshop/?pa_firmenkuenstler=otto-prutscher gibt es immer wieder Objekte von Otto Prutscher zu erwerben.